Begrüßungsrede Prof. Dr. Georg Milbradt MdL
Lieber Herr Henkel, sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Gäste der Sächsischen Union,
Auch ich heiße Sie alle herzlich willkommen im Deutschen Hygienemuseum hier in Dresden. Ich freue mich, dass Sie so zahlreich unserer Einladung zur „Denkfabrik Sachsen“ gefolgt sind. Es zeigt mir, dass wir richtig liegen mit unserem Vorhaben , gemeinsam über unsere Zukunft nachzudenken.
Wer die Medien der vergangenen Monate verfolgt, wer sich mit Menschen aus anderen Bundesländern unterhält oder wer einfach nur mit offenen Augen durch unser Land fährt, der stellt fest: Wir Sachsen haben eine Menge auf die Beine gestellt. Die Attribute, die uns zugeschrieben werden, lassen sich hören: Sachsen ist ein Land, das
- dynamisch voranschreitet
- das weiter wächst,
- das seinen Menschen ein modernes und sicheres und damit attraktives Lebensumfeld bietet,
- das zugleich aber sparsam mit seinen Ressourcen umgeht und den Haushalt zu Gunsten künftiger Generationen schont.
Auf all das können die Menschen, die mit Ihrer Arbeit, mit ihrem Wissen und ihrer Neugier unser Land jeden Tag ein Stück weiter voran bringen, stolz sein.
Die Menschen in Sachsen haben nach 1990 ihre Chancen mutig ergriffen und etwas riskiert. Wir haben nicht einfach 40 Jahre Bundesrepublik übernommen. Wir sind teilweise – soweit das möglich war - unseren eigenen Weg gegangen. Dadurch sind wir heute weiter als andere. Wie aber geht es morgen weiter? Wie könnte heute ein eigener Sächsischer Weg aussehen?
Wir wollen uns Gedanken machen, wie unser Land morgen aussehen kann. Wenn wir die Zukunft meistern wollen, müssen wir heute darüber nachdenken! Denn Zukunft beginnt im Kopf. Lassen Sie uns also über Fragen von morgen und übermorgen diskutieren.
Für mich sind folgende Punkte wichtig:
Was sind die Rahmenbedingungen der nächsten 20 bis 30 Jahre?
Wie gehen wir damit um?
Wir leben in einer Zeit der rapiden Veränderungen. Was gestern noch gültig war, ist heute in Frage gestellt.
Auf viele Veränderungen scheinen wir keinen Einfluss zu haben. Das macht vielen Menschen Sorge. Sie fühlen sich ohnmächtig und überfordert.
Demographie
Nehmen Sie das Thema Demographie. In den vergangenen Monaten ist es breit diskutiert worden. Sachsen wird älter, und wir werden weniger. Diese Entwicklung ist zumindest mittelfristig nicht umkehrbar. Das bedeutet eine große Herausforderung für uns alle.
Wir stehen dem aber nicht machtlos gegenüber. Sachsen stellt sich schon längst den drängenden Fragen:
Welche Wege können wir langfristig in der Familienpolitik beschreiten? Oder brauchen wir eine Bevölkerungspolitik?
Wie können wir die Finanzierung unserer Sozialsysteme künftig auf sichere Beine stellen? Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist ein Thema, über das wir hierbei sprechen müssen.
Was können wir dem Fachkräftemangel entgegensetzen?
Wie gestalten wir unsere Städte und Landkreise in den nächsten zwanzig Jahren, damit das Leben für die Menschen in Sachsen attraktiv bleibt, wenn die Bevölkerungsstruktur sich ändert?
Die Herausforderungen sind uns bewusst. Fangen wir an, konkrete Handlungsmuster zu entwerfen!
Technischer Wandel
Der Wandel in unserer Gesellschaft beginnt oft im Detail. Viele von Ihnen erinnern sich noch an die Zeit, in der es außer Fernschreiber und Festnetz keine Möglichkeit der Fernkommunikation gab. Heute gibt es Handys, Blackberrys und wLAN für den Laptop. Man kann die modernen Geräte überall hin mitnehmen und ist immer und weltweit erreichbar. Der technische Fortschritt hat unser alltägliches Leben revolutioniert. Der Mensch ist nicht mehr an einen bestimmten Ort gebunden. Die Kommunikation als wichtigstes Bindeglied zwischen den Menschen ist schneller, flexibler und vielfältiger geworden. Darauf mussten sich die Menschen einstellen. Die Entwicklung wird weiter voranschreiten. Zeit und Raum verlieren einen Teil ihres trennenden Charakters. Welche Schwerpunkte müssen wir in der künftigen Ausbildung und Bildung der Menschen also legen? Was können wir tun, um frühkindliche Bildung zu fördern und lebenslanges Lernen zu ermöglichen? In welche Technologien muss der Freistaat bei Forschung und Entwicklung investieren, damit die Arbeitsplätze zukünftig in Sachsen entstehen? Die Beantwortung dieser Frage bestimmt die Zukunft unseres Landes ganz entscheidend.
Arbeitswelt und Verwaltung
In der modernen Verwaltung erleben wir die Auswirkungen der neuen Kommunikationsmöglichkeiten besonders stark. Die schriftliche Steuererklärung ist zwar noch nicht ganz überflüssig. Aber „Elster“ macht es bereits heute einfacher, sein lokales Finanzamt zu erreichen. Was bei der Steuererklärung möglich ist, wird auch für viele andere Bereiche kommen – dessen bin ich mir sicher. Immer neue Technologien bringen die Verwaltung ins eigene Wohnzimmer. Die Entwicklung stellt über kurz oder lang das Präsenzprinzip der Verwaltung in den Städten und Gemeinden in Frage. Denn nicht jede Stadt braucht in Zukunft ihr eigenes Finanzamt. Wie organisieren wir also unsere Verwaltungen, damit technologischer Fortschritt effizient und zugleich bürgerfreundlich genutzt werden kann?
Auch in der Wirtschaft eröffnen moderne Kommunikationsmittel neue Perspektiven des Arbeitens: Nicht alle Aufgaben, die anfallen, muss der Arbeitnehmer von heute unbedingt an einem festen Arbeitsplatz erledigen. Ausgerüstet mit einem Laptop und einer wLan-Karte lassen sich Arbeitsvorgänge heute mühelos auf dem Flughafen, im Zug oder eben von zuhause erledigen. Die Grenzen zwischen Selbständigkeit und reinem Angestelltenverhältnis werden weiter verschwimmen. Künftig werden Erfolg oder Misserfolg dadurch entschieden, wie flexibel der Einzelne auf Anforderungen im Wirtschaftsleben reagieren und er den eigenen Arbeitszyklus organisieren kann. Ich freue mich mit den Unternehmern hierüber ins Gespräch zu kommen. Aus den gemeinsamen Überlegungen können wir Schlussfolgerungen für unser politisches Handeln zu ziehen.
Globalisierung/Europäisierung
So, wie das wirtschaftliche Handeln und Verhalten des Einzelnen sich verändert, verlagert auch die Wirtschaft global ständig ihre Schwerpunkte. Europa hat die Türen weiter aufgestoßen. Die Globalisierung ist in vollem Gange. Eines ist klar: Sie findet auch ohne uns statt. Es ist unsere Entscheidung: Wollen wir uns anstrengen und im weltweiten Wettbewerb der Wirtschaft, der besten Ideen und der attraktivsten Lebensentwürfe unsere Stärken beweisen? Oder wollen wir uns abschotten und Chancen auf wichtige Veränderungen ungenutzt vorbeiziehen lassen? Sachsen hat allen Grund, die Herausforderung anzunehmen. Denn schon immer war weltweiter Austausch unsere Stärke. Und unser Vorteil. Es gäbe keine Semperoper, wenn Gottfried Semper seine italienischen Bauarbeiter nicht nach Dresden hätte holen können. Auch heute profitieren wir Deutschen von den Vorteilen des weltweiten Handels durch günstige Preise und volle Regale. Und wir profitieren davon, dass die Welt Produkte made in Germany kauft. Das sichert und schafft Arbeitsplätze. Ich werbe weiterhin dafür, dass wir die Globalisierung als Chance verstehen.
Werte
Wenn wir den Veränderungen nicht hilflos ausgeliefert sein wollen, brauchen wir einen festen Standpunkt. Der Wettbewerb und der Austausch mit anderen Kulturen und Gesellschaften lassen uns Sachsen nicht unberührt. Die Öffnung unserer Gesellschaft stellt unsere Werte auf die Probe. Traditionelle Familienstrukturen stehen häufiger der individuellen Lebensplanung der Menschen entgegen. Darauf finden die Menschen ihre je eigenen Antworten. Als institutionelle Klammer muss der Staat den Veränderungen Rechnung tragen. Aber nicht der Staat allein ist hier in der Verantwortung. Wir stehen vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.
Kultur
Werte brauchen Kultur. Es lohnt sich die Frage, wie wir uns das Kulturleben in Sachsen in Zukunft vorstellen. Ich will, dass dieses wunderbare Land auch in 100 Jahren noch als ein Ort reichen und vielfältigen Kulturschaffens die Menschen anlockt und begeistert. In Sachsen soll auch in Zukunft die Musik spielen. Denn die Sachsen finden den richtigen Ton. Lassen Sie uns also über Wege diskutieren, wie wir Sachsens kulturelle Vielfalt erhalten und neue Akzente setzen können.
Finanzen/Nachhaltigkeit/Umwelt
Zu jeder ehrlichen Zukunftsdebatte gehört immer auch die Frage: Wer bezahlt das? Es geht nicht nur darum, dass heute die Kasse stimmt. Es geht darum, dass wir unseren Kindern und Enkeln keinen Schuldenberg hinterlassen. Nachhaltige Finanz- und Haushaltspoltitik ist einer Gebot der Gerechtigkeit.
Umwelt
Das gleiche gilt für den Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen. Christliche Verantwortung heißt, die Schöpfung zu bewahren. Vor den Klimaveränderungen und der Begrenztheit natürlicher Ressourcen dürfen wir die Augen nicht verschließen. Ich bin daher jeder Zeit bereit zu einer Umweltpolitik mit Vernunft und Augenmaß. Einer Politik, die ökologischen Belangen Rechnung trägt, gleichzeitig aber den Menschen und seine Potenziale im Blick behält. Ich werde keine Politik unterstützen, mit der wir unsere eigene Zukunft auf dem Altar irgendwelcher Ideologien opfern. Umweltpolitisch führen Verbote nicht weit. Wichtiger ist es, Anreize zu schaffen für die Entwicklung neuer Energiequellen und umweltschützender Technologien. In diesen Bereichen haben wir Sachsen einiges vorzuweisen. Nutzen wir unseren Vorsprung für unseren globalen Erfolg.
Fazit
Die Zukunft ist ein komplexes Thema, dass uns alle etwas angeht. Sie muss uns keine Angst machen. Denn wir – alle gemeinsam – geben die Richtung vor. Sind wir gewappnet für unseren weiteren Weg? Ich meine Ja! Sachsen hat die besten Voraussetzungen, um die Herausforderungen zu meistern. Unser Land hat Schritt gehalten mit den weltwirtschaftlichen und sozialen Veränderungen und ist an seinen Aufgaben gewachsen. Wir waren immer auch Impulsgeber für wichtige Entwicklungen. Ich will, dass der Freistaat auch für künftige Generationen eine gute Heimat ist. Die Politik trägt die Verantwortung, die Menschen zusammen zu bringen. Gemeinsam können wir die besten Entwürfe für eine Zukunft in Wohlstand und friedlichem Miteinander entwickeln. Jeder Einzelne ist daher aufgefordert, an der Zukunft unseres Landes aktiv mitzuarbeiten. Jeder ist eingeladen, seine Ideen für ein besseres Sachsen einzubringen. Was der Staat dafür tun kann ist, den Menschen das notwendige Rüstzeug mit auf den Weg zu geben. Daher gilt immer wieder: Bildung braucht Vorfahrt! Denn der Geist ist der Ursprung jeder Tat. Wir werden Verbesserungen im Hochschulbereich in Sachsen weiter konsequent anpacken. Das neue Hochschulgesetz ist auf einem guten Weg. Auch wenn wir für die ein oder andere Verbesserung noch kämpfen müssen. Die enge Verzahnung von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft werden wir weiter intensivieren. Denn wie Henry Ford sagte: Die Wettbewerbsfähigkeit beginnt nicht in der Fabrikhalle, sondern bereits im Klassenzimmer.
Ich werde weiter für eine Politik eintreten, die die Leistungsträger belohnt und Hindernisse für eine gedeihliche Entwicklung beseitigt. Es gibt keinen Masterplan für unsere gemeinsame Zukunft. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Konsens über unseren weiteren Weg. Ich freue mich, dass wir heute abend den Weg zu einem solchen Konsens beschreiten.
Mein besonderer Dank gilt Ihnen, lieber Herr Henkel. Ich weiß, dass Sie einige Mühen auf sich genommen haben, um heute abend zu uns zu sprechen. Ich bin sicher, Sie werden mit Ihrem Statement nach den Foren einige wichtige Impulse geben. Mein Dank gilt ferner den Referenten, die mit ihren fachlichen Beiträgen Anregung zu hoffentlich lebhaften Diskussionen geben werden. Ich danke dem Team der Geschäftsstelle für die gute Vorbereitung der Denkfabrik. Das große Interesse zeigt, dass Sie mit Ihrer Arbeit richtig liegen.
Der Veranstaltung wünsche ich in diesem Sinne einen fruchtbaren Verlauf und Ihnen allen einen interessanten Abend. Ich freue mich auf angeregte Gespräche.